„Wohnst Du noch oder lebst Du schon?“ – Neue Wohnformen rücken in den Fokus
Der klassische Grundriss für eine vierköpfige Familie hat ausgedient. In Zeiten steigender Singlehaushalte, Seniorenhaushalte und Alleinerzieher/innen mit Kind(ern) geht es nicht mehr darum, Einfamilienhäuser, Reihenhäuser und Wohnblöcke zu planen – sondern darum, das Hauptaugenmerk auf die individuellen Bedürfnisse zu richten.
Nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes lebten 2018 75,7 % in Ein- oder Zweipersonen-Haushalten. Und der Trend steigt weiter, 2030 werden es ca. 82 % sein, trotzdem legen die Gemeinden immer noch ihr Hauptaugenmerk bei der Stadtplanung auf den immer kleiner werden Anteil an 3 oder mehr Personenhaushalten. Dies führt völlig an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei.
Die neuen Wohnformen werten insbesondere kleine Wohneinheiten auf – und das macht sich besonders im Bereich der Altenwohnungen deutlich bemerkbar. Sogar Fertighaus-Hersteller haben darauf reagiert: Sie kreierten modulare Hauskonzepte, die mit der Familie mitwachsen und wieder schrumpfen – etwa, wenn die Kinder groß und ausgezogen sind.
Neue Wohnformen und Ihre Bedeutung in Zeiten zunehmender Globalisierung
Digitalisierung und Globalisierung beschleunigen unseren Alltag. Dabei ist optimiertes Denken unabdingbar – schneller, komplexer, innovativer. Raum sollte sinnvoller und effektiver genutzt werden. Allerdings verpuffen die Effekte, die durch energieeffizientes Bauen von Gebäuden entstehen, wenn am Ende pro Kopf immer mehr Wohnfläche in Anspruch genommen wird.
Mobilität und Flexibilität sind wichtige Eigenschaften, um auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Der überwiegende Teil der Uni-Absolventen/innen stellt die von der Wirtschaft geforderte Mobilität auch unter Beweis: 80 Prozent verlassen ihren Hochschulort nach dem Abschluss wieder. Die neuen Wohnformen bieten hier den großen Vorteil, dass sie grundsätzlich mobil sind und bei einem Umzug einfach mitgenommen werden können.
Eine bewusste Beschränkung bzw. Vermeidung von übermäßigem Konsum und damit die Reduktion auf das Wesentliche/Nötige sind die Charakteristika der Tiny House Bewegung und geben damit Slogans wie „Think global, act local“ ein neues Gesicht. Downsizing ist für viele der Hauptbeweggrund, um sich mit dem Tiny House Trend zu beschäftigen. Wer kennt ihn nicht, den überladenen Dachboden oder den vollgestellten Keller.
Downsizing und Mobilität = Tiny House – was ist das genau?
Die meisten haben beim Begriff Tiny House bestenfalls den PKW-Anhänger mit einem Haus darauf im Sinn oder schlimmstenfalls eine anarchistische Wagenburg. Doch Tiny Houses haben nichts im Geringsten mit Wagenburgen zu tun, auch wenn die Wagenburg Szene sich gerne selbst zur Tiny House Community zählt. Und selbst der PKW-Anhänger mit Haus darauf ist lediglich ein Nischenprodukt im Bereich Tiny Houses.
Ein Tiny House ist ein kleines Haus bis 50 m² Nutzfläche, es ist zum dauerhaften Wohnen geeignet und in irgendeiner Form transportabel. Bei einem modernen Tiny House fehlt es schon lange nicht mehr an fortschrittlicher Ausstattung und umweltfreundlicher Technologie. Unterschieden wird grob in 2 Arten, zum einen die Tiny House die nicht als dauerhaftes Wohnhaus baugenehmigungsfähig sind und den Tiny Houses die die bauordnungsrechtlichen Vorgaben für ein dauerhaftes Wohnhaus erfüllen.
Erstere eignen sich z.B. als Wochenendhaus oder zum dauerhaften Wohnen auf einem Camping-/Wochenendplatz, während die zweite Form von Tiny Houses, bis auf die Größe und Bauart, mit einem normalen, aus Stein gebauten, Einfamilienhaus auf einer Stufe stehen.
Ein Tiny House, auf eigenem, gepachtetem oder gemietetem Baugrund, steht dem „klassischen“ Einfamilienhaus in nichts nach. Es verfügt über moderne Haustechnik, ist in den meisten Fällen ökologisch und nachhaltig gebaut und passt sich dank modularer Bauweise den Bedürfnissen der Bewohner an. Barrierefreie Innenräume können unterschiedlich angepasst werden, was einmal der Arbeitsraum war, wird zum Kinderzimmer umfunktioniert und später vielleicht zum Schlafzimmer.
Was kann die Gemeinde stadtplanerisch tun um die Bedürfnisse der Einwohner zukünftig zu erfüllen.
Die Bauleitplanung
Achten Sie bei der Bauleitplanung darauf, auch die neuen Wohnformen zu berücksichtigen. So sollten Fassaden, Dachformen, Dachneigungen und Dacheindeckungen bei Wohngebäuden unter 50 m² Nutzfläche nicht vorgegeben werden. Tiny Houses haben aus Gewichts- und Platzgründen sehr oft Holz- oder Metallfassaden sowie Flach- oder Pultdächer mit Metalleindeckung, was nicht gleichbedeutend ist, dass sie sich dadurch nicht ins Ortsbild einfügen.
Leider wird bei der Bauleitplanung noch sehr oft so geplant, dass im Prinzip jedes Haus nahezu gleich auszusehen hat. Mehr Divergenz im Ortsbild führt in heutiger Zeit zu einem besseren Lebensgefühl der Bevölkerung in der Gemeinde. Es gibt auch schon Konzeptstudien um Tiny House Module nicht nur ländlich in die Fläche auszubreiten sondern auch urban in die Höhe zu bauen bzw. zur Aufstockung auf begrünten Flachdächern oder Parkhäusern.
Baulücken bzw. “Enkelgrundstücke”
Sehr viel Potential liegt z.B. in Baulücken die für ein „normales“ EFH zu klein sind, sich aber hervorragend für ein Tiny House eignen. Oder Enkelgrundstücke, die brachliegen, weil sie erst in 20 Jahren bebaut werden sollen. Zwei Varianten sind hier möglich, die allseits bekannte Erbbaupacht und das noch sehr unbekannte Bebauen nach §95 BGB als Scheinbestandteil.
Ob nun ein Grundstück vermietet oder verpachtet werden kann, hängt davon ab, ob das Aufstellen eines Tiny House von vornherein zum vorübergehenden Zweck erfolgt und die spätere Aufhebung des Vertrages von Anfang an beabsichtigt ist oder ob von Beginn an zu erkennen gegeben wird, das der dauerhafte Aufenthalt (für immer) auf diesem Grundstück gewünscht ist.
Ist von vornherein klar, dass der Hausbesitzer in einigen Jahren mit seinem Haus weiter ziehen wird, bietet es sich an das Grundstück zu vermieten, um mit einem „mobilen“, zerstörungssfrei wieder entfernbaren, Tiny House bebaut zu werden. Die Baugenehmigung für das Tiny House wird dann in Bezug auf den Mietvertrag und das Tiny House als Scheinbestandteil nach §95 BGB beantragt.
Möchte der Tiny House Besitzer jedoch (am besten für immer) auf diesem Grundstück stehen, bzw. wird es so mit dem Grundstück verbunden, das es nicht zerstörungsfrei wieder entfernt werden kann, dann lässt sich der „vorübergehende Zweck“ des Gebäudes nicht erkennen und somit wird in diesem Fall ein Erbbauvertrag benötigt.
Die Campingplatzlösung
Betreiber von alten, unwirtschaftlichen Camping- und Wochenendplätze denken häufig darüber nach, ihre Plätze in Bauland umzuwandeln, um aus ihrem Grund und Boden einen möglichst großen Gewinn zu erwirtschaften. Allerdings auf diese Grundstücke konventionelle Einfamilienhäuser zu bauen führt am demografischen Wandel völlig vorbei.
Eine mögliche Variante für diese Camping- und Wochenendplätze ist der Tiny House Park bzw. das Tiny House Dorf nach §12 Abs. 7 BauGB, also einen Camping-/Wochenendplatz über einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan inkl. zugelassener Wohnnutzung zum dauerhaften Wohnen auf dem Platz umzuwidmen. Eine Alternative dazu wäre auch eine „Duldung“, also die schriftliche Erklärung der Bauaufsichtsbehörde zum Nichteinschreiten auszustellen, als eine Variante das dauerhafte Wohnen auf dem Platz und somit die Anmeldung als Erstwohnsitz, zu erlauben.
Solche zum Tiny House Dorf umgewandelten Plätze, mit Parzellen von ca. 150-300 m² Größe, ermöglichen es z.B. auch Besitzern von nicht baugenehmigungsfähigen Tiny Houses auf PKW Anhängern legal in ihren Häusern zu wohnen.
Das Synergiepotential ist enorm,
- die Gemeinde ermöglicht es Besitzern von THoW legal in ihren Häusern zu wohnen,
- durch den Bevölkerungszuwachs steigen die Einnahmen und
- der Werbeeffekt durch teilweise touristische Nutzung der neuen Wohnformen, z.B. Probewohnen, Urlaub im Tiny House etc. zahlen sich aus.
Jetzt aktiv werden für Tiny Houses!
Möchte Ihre Gemeinde auch aktiv werden und das Wohnen in Tiny Houses möglich machen? IndiViva ist ein deutschlandweit arbeitendes Beratungs- und Planungsunternehmen, das Kunden bei der Realisierung ihrer Tiny House Projekte begleitet. Nehmen Sie via E-Mail Kontakt zu uns auf und lassen sich sich von uns unterstützen: info |at| indiviva.de
Seit August 2020 bietet IndiViva eine kostenlose Online-Sprechstunde für Gemeinden an. Wenn Sie Gemeinderats- oder Fraktionsmitglied sind oder in der Verwaltung arbeiten, können Sie daran teilnehmen und Ihre ersten Fragen/Unsicherheiten mit uns klären.
Wenn du daran interessiert bist in einem Tiny House zu leben und darüber nachdenkst auf deine Gemeinde zuzugehen, dann drucke gerne diesen Artikel aus und gebe ihn deinem/r Bürgermeister/in oder einem Mitglied aus deinem Gemeinderat.
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